Scandienstleister kämpft gegen Schimmel von Jürgen Neitzel

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M arkus Wenig öffnet vorsichtig den Aktendeckel. Zum Vorschein kommt bräunlich verfärbtes Paper, Wasserränder deuten auf einen Feuchtigkeitsschaden hin. An einigen Stellen ist der Schimmelbefall bereits sichtbar. In seinem persönlichen Schutzanzug erinnert er sofort an Dustin Hoffman und Rene Russo, die in dem Katastrophen-Thriller ‚Outbreak’ mit ihren bunten Ganzkörperhüllen einem gefährlichen Virus zu Leibe rücken. Markus Wenig rettet zwar nicht die Menschheit, aber hilft dabei, wertvolle, staatliche Informationen zu erhalten.

Als die Verantwortlichen eines Berliner Bezirksamts ihre Digitalisierungsanforderungen vorstellten, wurde Markus Wenig, Leiter des Bereichs Dokumentenmanagement beim Satz-Rechnen-Zentrum in Berlin, schnell klar, dass dies kein übliches Scanprojekt werden würde.

Nach einem Wassereinbruch im Archiv wurde bei mehreren hundert Ordnern ein Befall mit Schimmelpilzen festgestellt. Die Schimmelpilze konnten durch mechanische Maßnahmen wie Absaugen oder Abwischen nicht mehr vom Papier entfernt werden. Die Folge war die sofortige Sperrung der Akten für den Publikumsverkehr. Da es sich um Bauakten handelt, die ständig im Zuge von Bau- oder Renovierungsmaßnahmen benötigt werden, war es notwendig, die Ordner und die darin enthaltenen Informationen elektronisch zugänglich zu machen.

„Die Herausforderung bestand zum einen darin, eine Verarbeitungsstrecke für sehr heterogenes Material aufzubauen“, erläutert Markus Wenig. Dieses umfasst sowohl Einzelseiten, geöste Belege als auch Baupläne und Aktendeckel. Die Unterlagen reichen bis in die 20er Jahre zurück und sind – speziell wegen der Wasser- und Schimmelschäden – teilweise in einem sehr schlechten Zustand. „Zum anderen sind strengste Arbeitsschutzvorschriften zu beachten und es galt die Mitarbeiter für das Arbeiten unter erschwerten Bedingungen zu gewinnen“, ergänzt Markus Wenig.

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Schwarzraum

W ir befinden uns im Schwarzraum des Satz-Rechen-Zentrums in Berlin. Im Archivbereich dient ein Schwarzraum der Dekontamination von Büchern und anderen wertvollen Unterlagen, die von Schimmel befallen sind. „Jetzt bietet das SRZ die Vorteile des ‚Schwarzraums’ auch für digitale Scandienstleistungen. Dabei präsentieren wir uns als Vorreiter der Branche“, betont Markus Wenig.

Wichtigstes Merkmal des Schwarzraums sind die Erfüllung strengster Arbeitsschutzvorschriften. Markus Wenig: „Schimmel kann zu langwierigen und dauerhaften gesundheitlichen Beeinträchtigungen führen“. Neben Atemwegserkrankungen sind dies vor allem allergische Reaktionen wie Nasenreizungen und Halsirritationen bis hin zu Asthma.

Beim Satz-Rechen-Zentrum ist der Schwarzraum eine Konstruktion aus Holzlatten mit Folienbespannung, er ist ca. 24 qm groß und 2 m hoch. Der Boden ist mit abwischbarer Tetrapak-Folie ausgelegt. Der Schwarzraum ist nach außen luftdicht verschlossen; entsprechende Anlagen sorgen für eine regulierte Frischluftzufuhr sowie für gefilterte Abluft. Der Zugang erfolgt über eine Schleuse mit Staubsauger und zwei Türen.

Alle Mitarbeiter sind verpflichtet, vor Betreten des Schwarzraums Schutzkleidung anzulegen. Markus Wenig trägt einen weißen Overall mit Kopfbedeckung, Schutzhandschuhe, einen Schuhüberzieher und ganz wichtig eine so genannte partikelfiltrierende Halbmaske, die zuverlässig das Einatmen von Sporen und anderen Abbauprodukten von Schimmel verhindert.

So ausgestattet dürfen die Mitarbeiter durchgehend maximal zwei Stunden arbeiten, danach muss eine mindestens 30-minütige Pause eingelegt werden. Ist die Arbeit im Schwarzraum beendet, wird die persönliche Schutzausrüstung sofort entsorgt, mit dem Staubsauger werden eventuell verbliebende Staubpartikel entfernt.

An gut sichtbarer Stelle sind Warnhinweise und Betriebsanweisungen angebracht. Zudem erhielten die Mitarbeiter vorab umfangreiche Schulungen, in denen der Umgang mit den Geräten vermittelt und die Schutzmaßnahmen detailliert vorgestellt wurden.

„Von Anfang an haben wir einen mit diesen Schadensfällen vertrauten Sachverständigen in die Konzeption des Projekts einbezogen, besonders um die geltenden Gefahrengutvorschriften penibel umzusetzen“, erzählt Markus Wenig. Die Einhaltung der Vorschriften wird von einem externen Arbeitsschutzbeauftragten überwacht. In allen Implementierungsphasen war der Betriebsrat eng eingebunden. „Das alles“, so Markus Wenig, „schaffte Vertrauen in das Projekt und sorgte im Zusammenhang mit einer finanziellen Zulage für eine hohe Mitarbeitermotivation“.

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Besser lesbar als das Original

I nzwischen hat Markus Wenig die Inhalte der Akte nach dem Dokumententyp sortiert. Viele Vorlagen sind sehr stark in Mitleidenschaft gezogen, Verfärbungen und Fleckenbildungen sind deutlich sichtbar, bei einigen ist das Papier durch die hohe Feuchtigkeit rissig geworden. Allgemein sind viele Dokumente nur sehr schwer zu lesen.

Mit einem Stapel Baupläne in der Hand geht er zu einem Großformatscanner. Behutsam legt er die Vorlagen so ein, dass die Kante möglichst gleichzeitig alle Einzugsrollen berührt. Das Papier wird automatisch eingezogen. Gescannt wird grundsätzlich in Farbe und in 300 dpi Auflösung.

„Ziel ist es, eine gute Lesbarkeit der Informationen sicher zu stellen“, betont Markus Wenig. Und tatsächlich sind einige Details des Bauplans mit der Zoom-Funktion am Monitor besser zu erkennen als mit bloßem Auge am Original.

Neben dem Großformatscanner gibt es noch einen Hochleistungs-Dokumentenscanner für Einzelseiten sowie einen Aufsichtsscanner für geöste Belege und Aktendeckel. Die unternehmenseigene Capture-Software CROSSCAP sorgt dafür, dass die Vorlagen zuverlässig und in hoher Image-Qualität erfasst werden. Besonders hilfreich sind dabei die vielfältigen Bildverbesserungsfunktionen wie zum Beispiel die automatische Kontrastanpassung oder die Säuberung des Bildhintergrunds von Flecken und Wasserrändern. Die Verarbeitungsstrecke ist so konzipiert, dass die Reihenfolge der digitalisierten Dokumente immer der Ursprungsreihenfolge in der jeweiligen Akte entspricht, auch wenn die Inhalte einer Akte von unterschiedlichen Scannern elektronisch erfasst wurden. Markus Wenig: „Wir bilden die Bauakten eins-zu-eins in der digitalen Welt ab“.

Insgesamt sind diese in 80 Kisten verteilt, Markus Wenig rechnet mit ca. 300.000 Blatt, die digitalisiert werden müssen, darunter fast einhunderttausend Baupläne. Aktuell sind etwa zwei Drittel verarbeitet, damit liegen die Berliner Scanspezialisten voll im Soll.

Zukünftig ist nach den Worten von Markus Wenig geplant, den Schwarzraum für weitere Digitalisierungsprojekte von belasteten Akten zu nutzen. Doch zunächst wird der Schwarzraum nach Abschluss des aktuellen Projekts komplett deinstalliert und die verwendeten Komponenten wegen der Restbelastung entsorgt. Doch Markus Wenig gibt Entwarnung für interessierte Anwender: „Der Neuaufbau des Schwarzraums ist innerhalb von zwei Tagen möglich“.

Jürgen Neitzel

Autor Jürgen Neitzel
Email oder Telefon +49 (0)711 44 08 00 63

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