Abraham Lincoln digital von Jürgen Neitzel

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B riefe und andere handschriftliche Aufzeichnungen sind eine der wichtigsten Quellen, um die Gedanken, Motive und Handlungen eines der bedeutsamsten amerikanischen Staatsmänner zu verstehen. ‚The Papers of Abraham Lincoln’ hat es sich zur Aufgabe gemacht, alle Dokumente, die von Abraham Lincoln verfasst oder an ihn geschrieben wurden, elektronisch zu erfassen und im Internet der Öffentlichkeit frei zur Verfügung zu stellen. Dabei gibt es immer wieder Erstaunliches zu entdecken.

Während Helena Iles Papaioannou, wissenschaftliche Mitarbeitern von ‚The Papers of Abraham Lincoln’, eine Box von historischen Dokumenten sorgfältig sichtete, fiel ihr plötzlich ein Report in die Hände, der sie schnell in ihren Bann zog. „Seine Direktheit und seine detaillierte Beschreibungen bewegen sehr. Und man realisiert plötzlich, wie schmerzhaft und schrecklich die Verletzung gewesen sein muss“. Der handgeschriebene Augenzeugenbericht stammt von einem 23-jährigen Arzt und widmet sich den Ereignissen im Ford’s Theater, Washington D.C. am 14. April 1865.

Bewegender Moment der Geschichte

„Der Schuss einer Pistole“, so Dr. Charles Leale „war deutlich zu hören und nach einer Minute sprang ein Mann mit kleiner Statur und schwarzem Haar auf die Bühne und verschwand hinter dem Vorhang“. Sofort rannte der Arzt zu dem angeschossenen Opfer. Der am Hinterkopf schwer verwundete Mann lehnte sich gegen seine Frau, die verzweifelt den Arzt anschrie: „Oh Doktor, tun Sie, was sie können, tun sie, was sie können“. Dr. Leale erkannte aber schnell, dass die Situation sehr ernst war: „Er befand sich bereits in einem tiefen Koma“. Alle Hilfe nützte nichts mehr, der Mann starb nur wenige Stunden später, ohne noch einmal das Bewußtsein erlangt zu haben. Die historische Tragweite des Moments kommt in den letzten Zeilen des Reports zum Ausdruck: „Sofort nach seinem Tod verneigten wir uns und Reverend Dr. Gurley flehte Gott im Namen der Hinterbliebenen und des leidgeprüften Landes um Beistand“.

Der Mörder war der Schauspieler John Wilkes Booth, sein Opfer der amerikanische Präsident Abraham Lincoln.

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Verstreute Quellen

D er Report ist ein historisches Juwel, da er viele Details enthält, die vorher nicht bekannt waren. Er zeigt auch die Bedeutung der Arbeit von ‚The Papers of Abraham Lincoln’. Das 2001 als Erweiterung der ‚Lincoln Legal Papers’ gegründete Projekt verfolgt das langfristige Ziel, die gesamte eingehende und ausgehende Korrespondenz sowie die Reden von Abraham Lincoln zu identifizieren, per Digitalisierung zu bewahren, die handschriftlichen Texte Wort für Wort in eine Datenbank zu übertragen sowie die digitalen Images und die Transkriptionen über das Internet frei zugänglich zu machen.

Die Materialien stammen größtenteils aus Hochschulbibliotheken, Museen, historischen Gesellschaften, der Library of Congress sowie der National Archives and Records Administration (NARA), dem Nationalarchiv der USA. Weitere Quellen sind Privatsammler und Regierungen aus aller Welt. Seit Beginn des Projekts konnten tausende von Dokumenten aus 47 US-Bundesstaaten und aus Ländern wie Japan, Australien, Portugal und der Schweiz zusammengetragen werden. Daniel W. Stowell, Direktor und Herausgeber von ‚The Papers of Abraham Lincoln’ merkt an, dass „trotz des bereits großen Bestands wir immer noch Zug um Zug neues Material entdecken“. Seit 2011 findet die Projektarbeit im Nationalarchiv statt, das den größten Bestand an Lincoln-Papieren besitzt.

Hohe Ansprüche

V iele der Originale sind gebundene Dokumente, die entweder bereits in gebundener Form hergestellt oder später aus konservatorischen Gründen zusammengefasst wurden (zum Beispiel kombinierte Sammelalben aus losen Blättern).

Die Anforderungen an den Digitalisierungsprozeß sind entsprechend des Zustandes und der Bedeutung der Dokumente sehr hoch. Dazu gehören neben der schonenden Behandlung der Vorlagen auch die Möglichkeit, größere Formate zu verarbeiten. Entscheidende Voraussetzung für den Projekterfolg ist jedoch eine exzellente Image-Qualität mit einer Auflösung von 600 dpi.

Dabei werden alle Dokumente in Farbe erfasst. Im Lincoln Editor, dem vierteljährlichen Projekt-Newsletter, heißt es dazu: „Farbe verbessert den Kontrast und die Lesbarkeit der Manuskripte. Wird die Farbe des gealterten Papiers und die Farbe der Tinte erfasst, lassen sich Durchstreichungen und Ergänzungen besser erkennen sowie Hinweise auf die Autorenschaft erschließen“.

Und zweitens bleiben die farbigen Eigenschaften der Dokumente bewahrt – von dem blauen Schreibpapier, typisch für die Zeit Lincoln’s, über die eingesetzte Farbtinte bis hin zu farbigen Briefmarken und Umschlägen.

Bei der Auswahl des Scansystems vertraute ‚The Paper of Abraham Lincoln’ auf die Kompetenz von ‚The Crowley Company’. Der Anbieter von Digitalisierungs- und Mikrofilmlösungen ist seit zwei Jahrzehnten ein zuverlässiger Parter des Nationalarchivs (NARA) und empfahl den Einsatz von Zeutschel Aufsichtsscanner. Das aktuelle High-End-Modell OS 14000 wurde von Zeutschel nach den strengen Vorgaben der NARA hinsichtlich der Farbqualität der Images sowie der produktiven Verarbeitung entwickelt. „Die Zeutschel Geräte erfüllen alle unsere Anforderungen. Neben einem OS 10000, der seit vielen Jahren zuverlässig arbeitet und jetzt im Zeitungsarchiv in Springfield, Illionois eingesetzt wird, nutzen wir den OS 14000 für unser Projekt“, erläutert Daniel W. Stowell.

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Aufwändiger Digitalisierungsprozeß

F ür Helena Iles Papaioannou beginnt der Workflow mit der Lokalisierung der Dokumente. Diese sind teilweise bereits mikroverfilmt und durch die NARA archiviert worden, so dass Helena jede Filmserie durchsuchen muss. Mit der gefundenen Filmreferenz lässt sich das Original dann im Archiv finden. Alle Vorlagen werden – wann immer möglich – vom Original digitalisiert, um Qualität und historische Exaktheit sicher zu stellen. Gescannt wird in einer optischen Auflösung von 600 dpi im unkomprimierten TIFF-Format.

Danach erfolgt die manuelle Übertragung der Inhalte in eine Datenbank. „Lincolns Handschrift ist zwar recht gut lesbar, das gilt aber leider nicht für alle, die an ihn geschrieben haben“, erklärt Daniel W. Stowell.

Am Ende des Digitalisierungsprozesses werden die Dokumente kommentiert und in XML ausgezeichnet und beschrieben. Bisher hat das Projekt-Team ca. 96.000 Dokumente eingescannt und davon 30.000 Transkriptionen angefertigt. Das ergibt eine Datenmenge von 30 – 35 Terabyte, die auf einem Server an der Universität von Illionois in Urbana-Champaign gesichert sind. Die gesamte Sammlung beträgt über 150.000 Dokumente bei einem Datenvolumen von ca. 60 bis 70 Terabyte.

Der Online-Zugang ist für Historiker, Wissenschaftler, Gelehrte und allgemein die interessierte Öffentlichkeit kostenfrei, die Images können hochauflösend im JPEG-Format betrachtet und ausgedruckt werden.

Helena Iles Papaioannou ist sich sicher, dass die Entdeckungsreise in die Gedankenwelt Abraham Lincolns noch lange nicht beendet ist und es noch viele historische Schätze zu bergen gibt.

The Papers of Abraham Lincoln

‚The Papers of Abraham Lincoln’ ist ein langfristiges Dokumentations-Projekt zur Identifizierung, Digitalisierung und Veröffentlichung der gesamten Korrespondez und anderer Schriftstücke von Abraham Lincoln während seines Lebens (1809 – 1865). Dies beinhaltet sowohl Dokumente und Briefe, die von dem amerikanischen Präsidenten selbst verfasst als auch an ihn geschrieben wurden. 1985 als ‚Lincoln Legal Papers’ gegründet, erweiterte sich das Projekt 2001 zu den ‚The Papers of Abraham Lincoln’. Neben staatlichen Zuschüssen finanziert sich das Projekt zu einem Drittel aus privaten Spenden. Die Webseite unter http://www.papersofabrahamlincoln.org enthält neben den eingescannten Dokumenten umfangreiche Informationen zur Sammlung, einen Newsletter mit aktuellen Projekt-Informationen sowie umfangreiche biografische und bibliographische Angaben zu Abraham Lincoln.

Jürgen Neitzel

Autor Jürgen Neitzel
Email oder Telefon +49 (0)711 44 08 00 63

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